Jörg Wüstner kann es noch immer kaum fassen. Wenn ihm vor der Saison jemand solch ein sagenhaftes Abschneiden prophezeit hätte? "Dann hätte ich ihm gesagt, er soll sich überprüfen lassen, ob er noch ganz richtig im Kopf ist", gesteht der Trainer. "Ich hätte das wirklich nicht erwartet."
Zumal nach den Ergebnissen der vergangenen Spieljahre keiner für möglich gehalten hätte, dass Zwickau zu einem Höhenflug ansetzen würde. Viermal in Folge waren die Muldestädter jeweils bloß auf dem vorletzten Platz gelandet, entgingen in der Saison 2006/07 nur der drohenden Relegation um den Klassenerhalt, weil der Verband die 1. Liga aufgestockt hat. Nach der langen Zeit im Tabellenkeller hat sich das graue Entlein der Liga zum stolzen Schwan gemausert. Auch die Konkurrenz zollt neidlos Respekt. Für viele ist der SV 04 die positive Überraschung der Saison gewesen.

Stabiler und sicherer geworden
"Wir hatten eigentlich schon seit zwei Jahren unser Training umgestellt, indem wir noch eine zusätzliche Athletikeinheit rein genommen haben, um die schwimmerische Grundausdauer zu verbessern", verrät Trainer Jörg Wüstner die Ursache für die enorme Steigerung. "Irgendwann musste das Früchte tragen." Das Umschlagen der Quantität in eine neue Qualität - Friedrich Engels' dialektisches Grundgesetz hat sich erneut bewahrheitet.
Erfolgreichste Torschützen waren Stefan Prägler, Frank Trommler (je 41), Nico Brand (39), Albrecht Trummer (35) und Jacco Bolman (32). In der zurückliegenden Saison hat Zwickau sogar Mannschaften besiegt, gegen die man in den vergangenen Jahren deutlich verloren hatte. So wurde unter anderem die zweite Vertretung des Bundesligisten Wasserfreunde Spandau 04, gegen die der SV 04 in der Vorsaison mit 9:21 und 16:22 unter die Räder gekommen war, diesmal in eigener Halle mit 14:11 bezwungen.
"Unser Spiel hat an Stabilität und Sicherheit gewonnen", betont Torjäger Frank Trommler. "Das macht natürlich auch den Kopf frei, um nach vorn mal etwas mehr zu versuchen." Der 29-Jährige weist zugleich auf die Unterstützung durch die Senioren des Vereins hin, die stets mit Rat und Tat zur Seite stehen. Das Zweitligateam des SV 04 ist eine gesunde Mischung aus Jugend und Erfahrung. "Die ganzen jungen Leute haben in dieser Saison voll den Anschluss geschafft", freut sich Trainer Wüstner, nach dessen Einschätzung sich in der ersten Mannschaft zum Beispiel Sascha Elsner, Stefan Prägler (beide 20) und Florian Hähnel (21) profiliert haben. Und als echter Glücksgriff erwies sich Neuzugang Nico Brand. Der 31-jährige Erfurter hat richtig eingeschlagen. Die großartigen Erfolge der "Ersten" spornen auch den Nachwuchs an. "Wir haben im Moment wieder eine kleine Kindermannschaft, die am Saisonende auch ihren ersten Sieg gelandet hat - gegen Erfurt", so Wüstner. Was haben die Teams auf den Plätzen 1 bis 3, also der OSC Potsdam, die SG Neukölln Berlin II und die Wasserfreunde Spandau 04 II, den viertplatzierten Westsachsen derzeit noch voraus? "Die haben mit ihren 50-Meter-Bahnen ganz andere Trainingsbedingungen. Und können öfter in die Halle. Potsdam zum Beispiel trainiert fünf- bis sechsmal pro Woche", verdeutlicht der Trainer. Selbst Mannschaften, die hinter dem SV 04 in der Tabelle stehen, verfügen über bessere Bedingungen. "Aus unserem Potenzial haben wir das Maximale herausgeholt", glaubt Wüstner. Immerhin ist der vierte Rang die beste Zwickauer Platzierung seit der Regionalliga-Saison 2003 (6. Platz). Sind unter diesen Umständen überhaupt noch Steigerungen möglich? "Wir wollen realistisch bleiben und nehmen uns vor, im nächsten Jahr eine ähnlich gute Saison hinzukriegen", kündigt der Trainer an. "Mehr können wir daraus nicht machen, irgendwo sind dann die Grenzen gesetzt", konstatiert auch Frank Trommler.

Hoffen auf größere Halle
Während andernorts in Sachsen neue Hallen entstanden sind (Plauen, Chemnitz, Dresden, Görlitz), die bessere Möglichkeiten bieten, hat Zwickau eine von zwei Schwimmhallen eingebüßt. Und das Becken an der Flurstraße ist eigentlich zu klein für hochkarätigen Sport. Unter Umständen muss man das Heimspiel im deutschen Wasserballpokal, für den sich der SV 04 qualifiziert hat, woanders austragen. "Wir hoffen auf einen attraktiven Gegner. Und vielleicht kriegen wir ja doch noch mal eine Sondergenehmigung", wünscht sich Wüstner. Auf lange Sicht ist eine neue, größere Halle für ihn allerdings unabdingbar. "Das wäre einfach nur ein Traum für alle Schwimmsportler."